Die Risiken von Melanotan

Vor einigen Jahren gab es viel Aufsehen um die Injektion von Melanotan, einem hormonartigen Stoff, der den Bräunungsprozess stimuliert. Das Mittel, das anfangs bei ernsthaften mit Sonnenlicht zusammenhängenden Haut- und Pigmentstörungen wie EPP und Vitiligo untersucht wurde, wurde noch bevor alle Experimente beendet waren und das Mittel zugelassen wurde, von der (Fitness-) Industrie vereinnahmt. Schon allein deswegen, weil Melanotan nicht nur die Haut bräunt, sondern auch Gewichtsverlust und einen Viagra-Effekt hervorruft. Was wissen wir inzwischen über die Risiken und Auswirkungen des Stoffes, der auch als Barbie-Droge bezeichnet wird? Niederländische Spezialisten schrieben darüber einen Übersichtsartikel.

Verschiedene Bezeichnungen für Melanotan

Es gibt verschiedene Bezeichnungen für Melanotan, was manchmal etwas verwirrend sein kann. Was ist da dran? Bezeichnen sie denselben Stoff?

Melanotan ist die synthetische Variante des natürlich vorkommenden α-Melanozyten-stimulierenden Hormons (α-MSH). Dieses Hormon kommt in unserem Körper vor und stimuliert die Bräunung der Haut mittels Melanogenese. Nach der Synthese von Melanotan I wurde eine noch kräftigere Variante entdeckt, die als Melanotan II bezeichnet wird. Und dann ist noch eine dritte Variante im Umlauf: das Bremelanotid. Diese Nachbildung des Hormons wurde speziell aufgrund seines sexuell stimulierenden Effekts entwickelt. Der nicht generische oder „markenlose“ Name ist Afamelanotid.

Braun auf medizinische Indikation

Melanotan war nie zum Bräunen gedacht. Die Wissenschaftler suchten anfangs nach einer Möglichkeit, die Haut bei bestimmten ernsthaften mit Sonnenlicht zusammenhängenden Störungen widerstandsfähiger gegen UV-Strahlung zu machen, ohne sie dafür der Sonne aussetzen zu müssen. Beispielsweise für Menschen, die an EPP (erythropoetische Protoporphyrie) leiden, eine erblich bedingte Sonnenlichtunverträglichkeit. Dazu wurden, und werden immer noch, viele Studien durchgeführt.

Nur Afamelanotid wurde jetzt offiziell für eine bestimmte Anzahl medizinischer Indikationen unter dem Medikamentennamen Scenesse zugelassen und wird von dem australischen Pharmahersteller Clinuvel Pharmaceutics hergestellt.

Überall erhältlich

Während viele Studien noch laufen, sind die α-MSH-Nachbildungen laut den Autoren in den letzten Jahren in zunehmendem Maße ohne jegliches Rezept im Internet, einigen Solarien und Sportzentren erhältlich. Sie haben Patienten in ihren Kliniken, die sich diesen Stoff selbst injizieren oder ihn anderweitig benutzen. Die meisten Anwender benutzen Melanotan I oder II, um die Haut zu bräunen. Melanotan II wird auch verwendet, um abzunehmen oder die Libido zu erhöhen. Berichten zufolge werden sie jedoch auch bei Erkrankungen wie Rosazea und Fibromyalgie angewendet, nachdem konventionelle medizinische Behandlungsmethoden nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen geführt haben.
Ist das schädlich? Das ist eine gute Frage,

denn dieser Stoff hat Nebenwirkungen: Herzrasen, Verwirrtheit, aber auch Veränderungen an Muttermalen und Hautverfärbungen wurden gemeldet. Außerdem ist die Langzeitwirkung noch nicht klar. Darüber hinaus wird ein möglicherweise erhöhtes Risiko auf Hautkrebs mit Sorge gesehen.

Praxisbeispiele

In ihrer Übersichtsarbeit führen die niederländischen Hautspezialisten einige Case Reports auf. Es gibt vier Fälle von Hautkrebs bei sehr jungen Melanotan-Anwendern. Obwohl das geringe Alter zum Zeitpunkt der Melanom-Bildung einen Zusammenhang mit den Bräunungsspritzen suggeriert, fehlen hier aussagekräftige Beweise für einen kausalen Zusammenhang. Hinzu kamen noch Risikofaktoren wie häufige Solarienbesuche, familiäre Vorbelastung, atypische Muttermale und/oder ein (sehr) heller Hauttyp.

Vorläufig nicht zu Hause

Trotz Mangels an aussagekräftigen Beweisen warnen die Autoren vor einer ungeregelten und unkontrollierten Melanotan-Anwendung (zu Hause). Das Mittel wird in verschiedensten Formen verkauft: von Nasensprays bis hin zu gefriergetrockneten Pulvern in konzentrierten Ampullen, die vor der Injektion erst sorgfältig mit Wasser verdünnt werden müssen. Daran haften Risiken. Auch die Wiederverwendung von Nadeln kann zu Krankheiten oder einer Blutvergiftung führen. Gesundheitseinrichtungen verschiedener Länder haben darum bereits Sicherheitswarnungen zu Melanotan I und II herausgegeben. Der Hersteller des einzigen zugelassenen Medikaments Clinuvel Pharmaceuticals weist auch darauf hin, dass (Online-) Verkäufer dieser Produkte zu Unrecht pharmazeutische Sicherheitsangaben auf Afamelanotid-Verpackungen benutzen.

Die Autoren möchten mit ihrer systematischen Übersichtsarbeit vor allem ihre Dermatologen-Kollegen auf den vermutlich sehr häufigen Gebrauch der Mittel aufmerksam machen. Sie empfehlen, bei einer bestimmen Patientengruppe die Frage nach der Anwendung dieser Mittel in die Anamnese aufzunehmen. Hautabweichungen sollten mit Augenmerk auf den Mangel an verlässlichen Daten zu den Nebenwirkungen und Komplikationen dokumentiert werden.


Originaltitel:
Risks of unregulated use of alpha-melanocyte-stimulating hormone analogues: a review.

Veröffentlichung:
März, 2017

Autoren:
Habbema L, Halk AB, Neumann M, Bergman W

Wissenschaftliche Zeitschrift:
International Journal of Dermatology

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