Publiziert: Rosazea Journal
Datum: Herbst 2020
Von: Sonja Dargatz
Wenn Sie von Rosacea betroffen sind, reagiert Ihre Haut besonders sensibel auf Sonnenlicht. Warum ist das eigentlich so? Und vielleicht noch wichtiger: Mit welchen Inhaltsstoffen können Sie Ihre Haut optimal vor UV-Strahlung schützen? Rosazea Journal befragte Dr. Jetske Ultee um Rat.
Interviewreihe “Praxisgespräche” Rosazea im Fokus behandelnder Dermatolog*innen und Angehörige anderer Fachberufe
Rosazea journal: Hallo Frau Dr. Jetske Ultee, ich freue mich, Ihnen heute Fragen zu Rosazea, speziell zu Lichteinflüssen, stellen zu können. Sie selbst gründeten 2014 die Stiftung Skinwiser, die sich mit Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit von Kosmetikprodukten beschäftigt. Sie starteten auch in den Niederlanden die landesweite Kampagne “Crème dich ein!”, um allen die Bedeutung von gutem Sonnenschutz bewusst zu machen, vor allem bei Kindern. Und 2017 öffnete Ihr eigenes Skincare Centre in Rotterdam die Türen. Sie sind verheiratet und Mutter von vier Kindern. Mit welchen Anliegen kontaktieren Rosazea-Betroffene Sie?
Dr. Jetske Ultee: Die meisten Menschen möchten in erster Linie wissen, welche Hauptpflegeprodukte bei Rosacea am geeignetsten sind. Sie suchen dann nach Produkten, die Ihre Haut gut verträgt. Und natürlich möchten sie gern wissen, welche Inhaltstoffe, Behandlungsmöglichkeiten oder andere Maßnahmen ihre Haut beruhigen können. Übrigens kontaktieren mich auch viele Rosacea-Betroffene, die nichts von ihrer Erkrankung wissen. Obwohl die Erkrankung oft vorkommt, ist sie doch ziemlich unbekannt.
Rosazea-Betroffene sind gerade im Gesicht besonders sonnenlichtanfällig. Warum eigentlich?
Der Einfluss des Sonnenlichts im Allgemeinen kommt zum Teil durch reaktive Sauerstoffspezies (ROS, reactive oxygen species). Bei Rosacea-Patienten ist deren Niveau im Vergleich zu nicht erkrankten Menschen oftmals erhöht. Reaktive Sauerstoffspezies können Entzündungen auf der Haut fördern. Möglicherweise ist es sogar so, dass ROS das Erweitern der Blutgefäße verursachen, die man oft bei Rosacea sieht. Auf den spezifischen Einfluss, den UVA- und UVB-Strahlung haben, wird in den unten stehenden Fragen weiter eingegangen.
Auf die Frage, warum vor allem das Gesicht von Rosacea betroffen ist, gibt es drie mögliche Erklärungen: Die erste ist, dass das Gesicht der Sonne stark ausgesetzt ist und dass diese Erkrankung wahrscheinlich durch UV-Strahlung getriggert wird. Also möglicherweise durch ROS, aber auch durch ein anderes Peptid. Das geht wie folgt: UV-Strahlung aktiviert Vitamin D in den Hautzellen, was wiederum für die Expression eines bestimmten Peptids (CAMP) sorgt, das Entzündungen hervorrufen kann. Bei Rosacea-Patienten geht es um eine Überexpression dieses Peptids. Bei Menschen ohne diese Erkrankung entsteht auch CAMP, aber in geringerem Ausmaß.
Eine andere Erklärung könnte sein, dass die Zellen, die die Talgdrüsen bilden eine große Rolle bei der Entstehung von Rosacea spielen. Rosacea entsteht auch erst nach der Pubertät, wenn die Talgdrüsen vollständig entwickelt sind. Und gerade um Gesicht gibt es viele Talgdrüsen, das erklärt möglicherweise, warum Rosacea hauptsächlich im Gesicht auftritt. Die letzte Erklärung könnte sein, dass Demodex-Milben öfter im Gesicht vorkommen als auf dem Körper. Diese Milben spielen möglicherweise beim Entstehen von Rosacea eine Rolle. Die Milbe Demodex folliculorum, die man bei Rosacea oft sieht, kommt nämlich vor allem im Gesicht vor. Die andere Milbe, Demodex Brevis, kann auch auf dem Körper vorkommen.
Das Sonnenlicht selbst besteht aus verschiedenen Komponenten, welchen genau?
Die Sonne sendet verschiedene Strahlungsarten aus: Infrarotstrahlung (unsichtbare Strahlung, die Wärme abgibt), sichtbares Licht (sichtbare Strahlung) und ultraviolette Strahlung (auch unsichtbar). UV-Strahlung wird auf Basis der Wellenlänge in drei Arten unterteilt: UVA, UVB und UVC. Alle drei Arten sind schädlich für die Haut. UVC-Strahlung ist die kraftvollste Strahlungsform, die jedoch vollständig von der Atmosphäre abgehalten wird. Die Ozonschicht spielt dabei eine wichtige Rolle. Obwohl UVB-Strahlen auch größtenteils abgefangen werden, erreichen sie trotzdem die Erde. UVA-Strahlung hingegen dringt vollständig bis zur Erdoberfläche. Es ist die schwächste Strahlungsart, aber in hohen Dosen ist diese Art schließlich doch noch viel schädlicher für die Haut. UVA-Strahlung dringt nämlich tiefer in die Haute ein.
Warum sind nicht alle Strahlungen des Sonnenlichts für den Menschen sichtbar?
Das hängt mit der Wellenlänge (oder Frequenz) zusammen. Das Auge kann Strahlung mit einer Wellenlänge zwischen 750 (rot) und 400 Nanometer (violet) wahrnehmen. Ultraviolette Strahlung, aber auch Infrarotstrahlung haben eine Wellenlänge, die außerhalb dieser Bereichs liegt.
Welche Folgen had UV-A Licht für die Haut vond Rosazea-Betroffenen?
Für die sensible Rosacea-Haut gilt, dass UVA-Strahlung die Kollagenbildung in der Haut bremst und die Aktivität einiger Enzyme in der Haut verändert. Diese MMP-Enzyme sind am Abbau und der Neustrukturierung der extrazellulären Matrix der Haut beteiligt. (Diese Matrix verleiht Gewebe Festigkeit und Struktur.) Wissenschaftler suggerieren, dass der Abbau der Hautmatrix direkt oder indirekt zur Entstehung von Rosacea beiträgt, indem diese Enzyme für zusätzliche Entzündungen sorgen. Wirklich bewiesen werden konnte es bislang nicht.
Welche Risiken bringt UV-B Licht für die Haut von Rosazea-Betroffenen mit sich?
UVB-Strahlung erhöht die Produktion und Absonderung bestimmter Proteine in Keratinozyten (Zellen in der Epidermis), was wahrscheinlich an die zusätzlichen Äderchen beiträgt, die man auf von Rosacea betroffener Haut sieht. Diese Strahlung verursacht auch eine Stressreaktion im Körper, was eine erhöhte Expression von CAMP (Cathelicidin antimicrobial peptide) zur Folge hat. Dieses Peptid ist bei Rosacea-Patienten sowieso erhöht, nimmt jedoch unter dem Einfluss von Vitamin D, das durch UVB-Strahlung gebildet wird, zu. Und gerade CAMP sorgt für die Entzündungen in der Rosacea-Haut.
Seit einigen Jahren gibt es auch Sonnenschutz Produkte gegen Infrarotstrahlung? Warum? Und was bewirkt Infrarotstrahlung auf der Haut von Rosazea-Betroffenen?
Es gibt wirklich Sonnenschutzprodukte, die vor Infrarotstrahlung schützen, da aus Studien hervorgeht, dass auch Infrarotstrahlung der Haut schaden kann. Diese Strahlung sorgt für eine zusätzliche Aktivierung von Enzymen in der Haut, worunter MMP-1, MMP-3 und MMP-12, die letztendlich zu Hautalterung führen können. Durch die Verwendung von Sonnenschutzprodukten die Antioxidantien enthalten, kann man die Haut zum Teil von der Infrarotstrahlung schützen. Auch UVA-Strahlung aktiviert die MMPs und sie tragen möglicherweise zum Entstehen von Rosacea bei. Es ist daher gut möglich, dass die Aktivierung von MMPS durch Infrarotstrahlung auch für die Entstehung von Rosacea sorgen kann.
Neben dieser Strahlung ist auch Blaues Licht (sog. Blue Light) im Gespräch, die Haut zu belasten. Dieses Blaue Licht geht von Handys, TV Geräten und PC Bildschirmen aus. Wie wirkt es sich auf von Rosazea betroffene Haut aus? Und warum?
Die Auswirkungen von blauem Licht sind noch nicht geklärt, vor allem nicht die Langzeitauswirkungen. Studien zeigen jedoch, dass es für eine Zunahme von Radikalen (ROS) sorgen kann. ROS können eine entzündungsfördernde Wirkung auf die Haut haben. Es ist sogar möglich, dass ROS für die bei Rosacea oft erweiterten Blutgefäße sorgen können. Übrigens wird blaues Licht auch bei der Behandlung von Rosacea eingesetzt.
Wie können Rosazea-Betroffene ihre Haut adäquat schützen?
Für jeden, aber vor allem für Rosacea-Patienten, ist es wichtig, die Haut gut vor der Sonne zu schützen, da die Sonne für ROS sorgt und somit eventuell für entzündungsfördernde Effekte auf der Haut. Antioxidantien in der Haut können ROS bekämpfen. Aber aus Studien scheint hervorzugehen, dass Rosacea-Patienten weniger Antioxidantien in der Haut haben als Menschen ohne diese Erkrankung. Benutzen Sie daher auf jeden Fall eine Creme mit Antioxidantien und ein Sonnenschutzprodukt mit UVA- und UVB-Filter.
Und inwieweit sind Anti Blue Light Produkte (Cremes mit Blue light Filter, Schutzfolien für Geräte etc.) sinnvoll?
Meines Wissens bestehen keine speziellen Blue-Light-Filter für Cremes, die blaues Licht vollständig abwehren können. Filter, die einen kleinen Teil des blauen Lichts abhalten können, sind Zinkoxid, Titandioxid und Tinosorb M. Alle anderen UV-filter richten nichts gegen blaues Licht aus. Gut zu wissen, ist vielleicht auch, dass Eisenoxid, das in Foundations und Pudern verwendet wird, einen Teil des Blaulichts filtern kann. Es ist jedoch sinnvoll, die Radikalschäden, die durch das Licht auftreten, zu verringern. Dafür gibt es jedoch keine speziellen Antioxidantien, eigentlich sind alle „gewöhnlichen“ Antioxidantien wie Vitamin C, B3 (Niacinamid), E und viele weitere bestens geeignet.
Liebe Frau Dr. Jetske UItee, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.