Publiziert: Myself
Datum: Juni 2021
Von: Ina Küper-Reinermann
Hautpflegeprodukte, die speziell für Sie angefertigt wurden und auf Ihre Haut abgestimmt wurden. Geht das? Myself hat es Dr. Jetske Ultee gefragt. Und wie sieht es eigentlich mit personalisiertem Make-up oder Haarpflegeprodukten aus?
Nach edel kommt einzigartig
Immer mehr Firmen bieten personalisierte Beauty-Produkte an. Braucht man das?
1 Nicht jeder Ton ein Treffer: individuelles Make-up
Der Gedanke ist natürlich nicht falsch: Was der einen Frau steht, lässt die andere schrecklich farblos aussehen. Doch dieser (eigentlich) alte Hut wird von den Kosmetikherstellern aktuell gefeiert, als wären die Leute früher bei der Suche nach dem passenden Lippenstift verzweifelt. Die Marke Trinny London etwa vermarktet ihr neues Online-Tool „Match 2 me“ als die „neue Art, Make-up zu kaufen“. Wahr ist, dass wohl jede Frau bei der Foundation schon mal danebengegriffen hat. Wahr ist allerdings auch, dass hinter den Fragebogen und Online-Tools meist kein Geniestreich steckt: Auf der Website von Trinny werden etwa Augenfarbe, Haarton und Hauttyp abgefragt, anschließend bekommt man eine Auswahl mit passendem Concealer, Rouge, Lidschatten und Highlighter vorgeschlagen. Dass die Marke mit echten Frauen (statt Models) wirbt und viele verschiedene Hautfarben abdeckt, passt genauso zum Zeitgeist wie das Gesch ftsmodell selbst. „Die Nachfrage nach individualisierten Produkten ist aktuell groß, aber das Bedürfnis ist eher ein emotionales als rationales“, sagt Hair-&-Make-up-Artistin Susanne Krammer. Sie glaubt, dass der Hype um personalisierte Pflege viel mit der Pandemie zu tun habe. Die Leute wollen sich etwas Besonderes kaufen, etwas, das nur für sie hergestellt wurde. Und seit Corona sie dazu zwingt, fast alles im Internet zu kaufen, versuchen immer mehr Marken, das Online-Shopping so nutzerfreundlich und maßgeschneidert wie möglich zu gestalten. Yves Saint Laurents neueste Erfindung „Rouge Sur Mesure“ (voraussichtlich ab 2022 erhältlich) mischt aus drei Farbkartuschen einen individuellen Lippenstift, Chanels „Lipscanner“-App kann Farbtöne erkennen und schlägt auf dieser Grundlage eine ähnliche oder identische Lippenstiftnuance aus ihrem eigenen Sortiment vor. Und die Marke La Manufacture aus dem hessischen Sulzbach analysiert mithilfe einer „Skin Cam“, die man an sein Smartphone steckt, den Hautton und ermittelt die passende Foundation zum Anrühren für zu Hause. Nette Spielereien, findet Susanne Krammer. „Aber bislang haben es die Leute auch ohne künstliche Intelligenz hinbekommen, das passende Make-up für sich zu finden.“
„Seit der Pandemie wollen sich die Leute etwas Besonderes kaufen, etwas, das nur für sie hergestellt wurde“
2 Für kluge Köpfe: das passende Shampoo für jeden Typ
Zu glatt, zu lockig, zu dünn, zu voll, zu widerspenstig – die Liste an (vermeintlichen) Haarproblemen ist genauso umfangreich wie die Auswahl der entsprechenden Produkte. Allein im Online-Shop der Drogeriekette dm stehen über 1000 Shampoos, Spülungen, Öle und Kuren zur Verfügung. Glaubt man Start-ups wie Yours Truly liegt darin das Problem. „In unseren Befragungen hat sich gezeigt, dass jede Frau im Schnitt vier Wünsche an ihr Shampoo hat, die meisten aber nur zwei erfüllen“, sagt Gründerin Veronika Wild. Mit der Folge, dass viele entweder nicht das Passende finden oder mehrere Produkte gleichzeitig benutzen. Ihr Unternehmen will dieses Dilemma nun mit einem eigens entworfenen Online-Fragebogen lösen, bietet aber auch eine Beratung in Partnersalons an. Macht Sinn, findet Tim Mathé von Lippert’s Friseure in München. Der Profi glaubt an den Nutzen von personalisierter Haarpflege. „Kopfhaut, Ansätze und Längen haben unterschiedliche Bedürfnisse“, sagt er. Er empfiehlt zum Beispiel das „Energy Code Mapping“ von Wella, bei dem das Haar von Friseuren unter die Lupe genommen wird.
„Hinter personalisierten Produkten steckt meist ein Baukasten-Prinzip“
3 Großer Hype, mittelgroßer Nutzen: personalisierte Hautpflege
Beinahe wöchentlich drängen neue Anbieter auf den Markt, die entweder digital (Soil Skincare, Ave + Edam) oder mithilfe eines Experten (Skinmade, Custom D.O.S.E. von Skinceuticals) die Haut vermessen – und die dazu passende Pflege erstellen. Auch die Marke O.W.N, die zum Kosmetikriesen Beiersdorf gehört, setzt auf dieses Konzept. Mithilfe eines neuen Algorithmus will man dort die knapp 140 Jahre Erfahrung des Unternehmens in der Hautpflege für die Zukunft nutzen – aber auch die bislang vernachlässigte E-Commerce-Sparte stärken. Auf der Website werden Hautprobleme wie Trockenheit, Rötungen und Falten abgefragt, genauso wie Alter, Geschlecht, Wohnort, ob man genug schläft, zu viel raucht oder gelegentlich in der Sonne brutzelt. Im Anschluss bekommt man ein Set zugeschickt, das auf Wunsch mit dem eigenen Namen bedruckt werden kann. Was im Tiegel steckt? Vor allem Altbewährtes: Hyaluronsäure, Panthenol und Allantoin zum Beispiel. Die niederländische Dermatologin Jetske Ultee hält das Angebot trotzdem für sinnvoll. „Allerdings sollte einem klar sein, dass man kein bis in alle Einzelteile personalisiertes Produkt bekommt.“ Cremes, so die Hautärztin, seien in Europa streng reguliert. Und ein Produkt könne immer nur so individuell sein, wie es die Gesetze des jeweiligen Landes erlauben. „Die Basis ist immer eine Formel, die je nach Hauttyp leicht variiert wird.“ Dahinter steckt also meist eine Art Baukasten- Prinzip: Bei sensibler Haut werden Inhaltsstoffe weggenommen, trockene bekommt eine Extraportion Pflege. Für Frauen und Männer, die ihre Bedürfnisse schlecht einschätzen können, sind personalisierte Cremes also eine super Sache. Alle anderen lockt vielleicht eher der eigene Name auf dem Tiegel.