Publiziert: Kosmetik International
Datum: Juni 2022
Von: Britta John
Kosmetika mit Prebiotika verhelfen wahrscheinlich zu schönerer Haut. Kann solche Skincare auch bei Akne, Ekzemen oder Hautalterung helfen? Kosmetik International befragte Dr. Jetske Ultee.
Wohlfühl-Klima
„Gute“ und „schlechte“ Bakterien und ihr Zusammenspiel sind vielen vor allem beim Thema Darmgesundheit ein Begriff. Prebiotische Inhaltsstoffe in Kosmetikformulie- rungen hingegen sollen das Mikrobiom der Haut positiv beeinflussen.
Die Hautflora ist täglich vielerlei Reizen ausgesetzt: Luftverschmutzung, Nikotin, UV-Strahlung, aber auch schlechte Ernährungsgewohnheiten, falsche Hautpflege und Stress können sie aus der Balance bringen. Die Mikrobiota besteht aus Bakterien, Viren und Pilzen. Ist sie unausgewogen, reagiert die Haut auf verschiedene Weise: z. B. mit Trockenheit, vermehrter Talgproduktion oder gesteigerter Empfind- lichkeit, aber auch mit Entzündungen wie Akne, Rosazea, Ekzemen oder Psoriasis. Um den Hautzustand wieder in Balance zu bringen, muss das Gleichgewicht zwischen haut- freundlichen und hautschädigenden Bakterien wiederhergestellt werden.
Pflanzliche Prebiotika werden z. B. aus den Fasern von Zuckerrüben, Zuckerrohr oder Weizen gewonnen. Zahlreiche weitere Früch- te, Gemüse und Pflanzen dienen ebenso als Lieferanten für das, was eigentlich „nur“ eine Nahrungsquelle für die guten Bakterien ist. Prebiotika können so das natürliche Gleichgewicht des Mikrobioms wiederherstellen und bewahren, die Hautschutzbarriere stärken, Irritationen reduzieren und die Haut mit Feuchtigkeit und Nährstoffen versorgen. Zudem sollen Prebiotika die Produktion von Kollagen- und Elastinfasern ankurbeln und eine Anti-Aging-Wirkung generieren.
Nahrung für die „Guten“
Das Prinzip dahinter ist eigentlich simpel: Die hautfreundlichen Bakterien (probiotische Mikroorganismen) werden gefüttert, z. B. mit Zuckern in Form von Oligosacchariden oder Galactooligosacchariden. Das Wachstum der pathogenen Hautflora wird dagegen durch eine natürliche antibakterielle Wirkung gehemmt. Beruhigt sich der Hautzustand, trägt dies zur Minderung von Problemen bei und die Haut wird weniger anfällig für Stress. Generell haben Oligosaccharide eine positive Wirkung auf die Hautflora. Sie werden z. B. aus Mais, Chicorée, Agaven, Artischocken und u. a. roter Bete gewonnen.
> Inulin (Polyfructosan) besteht aus Oligosacchariden und gilt als bewährtes Feuchthaltemittel für Haut und Haar.
> Alpha-Glucan-Oligosaccharid ist ein Mehr- fachzucker und wird aus natürlichen Zuckern (Zuckerrüben, Zuckerrohr oder Weizen) gewonnen. Der prebiotische Inhaltsstoff fördert die Befeuchtung der Haut.
> Das Polysaccharid Glucomannan aus der Konjakwurzel ist besonders für die Kosmetik interessant, da es nicht nur grundsätzlich hautpflegend ist, sondern mit zahlreichen Probiotika eine synergetische (zusammenwirkende) Wirkung erzeugt, die zur Minde- rung von Akne beitragen kann.
> Beim Prebiotikum APF (Aqua Posae Filiformis) handelt es sich um ein Lysat des Bakteriums Vitreoscilla filiformis, das in bestimmten Quellwassern gedeiht. Geschätzt wird es vor allem für die Behandlung extrem trockener Haut.
> Phytosterol ist ebenfalls ein probates Nahrungsmittel für die guten Bakterien der Hautflora.
> Ebenso können unterschiedliche Pflanzenextrakte, Glycerin, Xylitol (ein Zuckeralkohol), das Monosaccharid Rhamnose sowie auch Polypeptide und Aminosäuren-Derivate eine prebiotische Wirkung entfalten.
Gut zu wissen: das „Who is Who“ der Hautflora
Prebiotika sind Substanzen, die als Nahrung für Probiotika dienen. Probiotika sind vielfach aus dem Lebensmittelbereich bekannt, z. B. als Zusatz in Joghurt. Probiotika sind wirksame Bakterien, also lebende Mikroorganismen, die „gute“ Bakterien erhalten oder wiederherstellen. Da diese in der Kosmetik schwer stabil zu verarbeiten sind, werden oft fermentierte bzw. deaktivierte Probiotika – also eigentlich Postbiotika – verwendet. Diese sind in kosmetischen Formulierungen länger haltbar. Postbiotika sind bakterielle Nebenprodukte (Stoffwechselabbau), die von lebenden Bakterien z. B. durch Fermentation ausgeschieden werden, darunter Peptide, Enzyme und Säuren. Bekannte Beispiele: Hyaluronsäure (ein Glykosaminoglykan), Bifida Ferment-Lysate oder das aus Milchsäure- bakterien gewonnene Lactobacillus rhamnosus. Postbiotika können mit pre- oder probiotischen Inhaltsstoffen kombiniert werden. Synbiotika sind eine Kombination aus Pro- und Prebiotika.
Ursache für Neurodermitis & Co.?
Viele Hautkrankheiten wie auch Irritationen und gesteigerte Empfindlichkeit der Haut werden durch ein Ungleichgewicht (Dysbiose) des Mikrobioms begünstigt.
„Studien haben gezeigt, dass bei Menschen mit einem atopischen Ekzem im Vergleich zu Menschen, die nicht an einem Ekzem leiden, häufiger das Bakterium Staphylococcus aureus im Überfluss auf der Haut vorhanden ist. Der Mechanismus dahinter ist aber noch nicht bekannt. Auch bei Akne scheinen Bakterien eine Rolle zu spielen. So kann eine bestimmte Form von Cutibacterium acnes diese Hauterkrankung auslösen. Außerdem stellen wir oft fest, dass bei Rosazea die Demodexmilbe im Überfluss vorhanden ist – jedoch nicht immer,“ erklärt Dr. Jetske Ultee, Gründerin der Stiftung „Skinwiser“.
Vieles deutet darauf hin, dass Prebiotika zu einem gesünderen Mikrobiom beitragen können. „Prebiotika sind Nahrung für die ,guten‘ Bakterien. Durch ein großes Nahrungsangebot können sich diese leichter ansiedeln und vermehren. Diese guten Hautbewohner schützen die Haut vor Eindringlingen und manchmal auch vor schädlichen Bakterien, indem sie bestimmte antimikrobielle Stoffe ausscheiden“, so die niederländische Forschungsärztin im Bereich der kosmetischen Dermatologie. Und sie betont: „Aus einigen Studien geht hervor, dass Prebiotika in Kosmetika gegen Akne, Ekzeme und sogar gegen Hautalterung helfen können.“Von einer Pflege mit prebiotischen Inhaltsstoffen kann also jede Haut profitieren, aber vor allem Menschen
> mit empfindlicher Haut und
> einer durch Hautkrankheiten beeinträch- tigten Hautbarriere sowie
> von Akne Betroffene.
In der Kosmetik finden sich nun immer mehr Produkte, die mit Prebiotika angereichert sind. Neben dem positiven Effekt auf das Hautmilieu sollen sie einen weiteren entscheidenden Nutzen bringen. Denn eine Haut mit einer ausgeglichenen Mikrobiota kann Wirk- und Nährstoffe wie z. B. Antioxidantien und Vitamine besser nutzen. Prebiotische Inhaltsstoffe sind also eine effiziente Ergänzung, da sie indirekt die Wirksamkeit der aktiven Inhaltsstoffe in Hautpflegepräparaten fördern.
Hauprobleme gezielt angehen
So vielfältig die Lieferanten von prebioti- schen Inhaltsstoffen sind, so vielfältig ist deren Wirkungen. Durch eine gezielte Auswahl prebiotischer Inhaltsstoffe lassen sich spezifische Hautprobleme verbessern bzw. Hautbedürfnisse gezielt bedienen. Diese selektive Wirkung auf schädliche Mikroorganismen könnte also verstärkt in der Hautpflege zum Einsatz kommen. „Die optimale Zusammensetzung der Mikroorganismen ist vermutlich bei jedem Menschen anders, und somit auch die mögliche Zusammensetzung von Prebiotika, die man auf die Haut auftragen könnte“, so Dr. Ultee. Auch bei Deodorants geht übrigens der Trend in Richtung Einsatz von Prebiotika – durch die selektiv keimhemmenden Eigenschaften soll Körpergeruch minimiert werden, ohne dabei die Hautflora in Mitleidenschaft zu ziehen.
Dr. Jetske Ultee
Dr. Jetske Ultee ist Forschungsärztin auf dem Gebiet der kosmetischen Dermatologie. Sie beschäftigt sich mit Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit von Kosmetikprodukten